Argentinien
(Ruta 40 - Calafate - Ushuaia)
Auf der Ruta 40 bis zum Ziel
[18. März 2005] Heute scheint das Glueck mit mir zu sein,
strahlend blauer Himmel, eine mal wieder faszinierende Landschaft
und nette Grenzbeamte, so stelle ich mir auch den Rest der
Reise vor. Und erreiche guten Mutes die beruehmt-beruechtigte
Ruta 40 in Patagonien. Eine breite Schotterpiste mit tiefen
Furchen, aber erstaunlicherweise gut zu fahren.

Teilweise kann ich mit 100 kmh ueber den Schotter fliegen,
aber dann siegt wieder die Vernunft und ich uebernachte in
einer Estancia am Rande einer schoenen Laguna. Und dann kommt
das Gewitter, die ganze Nacht regnet und blaest es wie verrueckt.
Mir egal, ich esse mein Steak und trinke einen guten Wein.
Morgens hat sich alles verzogen, aber der Wind ist geblieben.
Und jetzt zeigt mir die Ruta 40 ihr anderes Gesicht, der Schotter
ist schwer von Regen, die Furchen jetzt Matsch. Und das alles
bei brutalem Wind von rechts, Klasse! Mehr als Schritttempo
ist teilweise nicht drin. Und ich aendere heimlich den Namen
von Ruta in Puta... Einige von Euch werden das und mich sicher
verstehen koennen... Denn hier gibt es weit und breit nichts
ausser ein paar Schafen, Wind und Wind und wieder Wind. Ich
muss ein paar Stunden warten, bis die Sonne die Piste einigermassen
getrocknet hat. Und dann nutze ich das trockene Wetter und
drehe am Hahn. Nach 2 Tagen erreiche ich El Calafate, leider
eine Touristenhochburg, die einzig vom Gletschertourismus
et al lebt. Irgendwie traurig, wenn man an die Pampa und die
Einsamkeit denkt.
Dann entschaedigt mich der Perito Moreno Gletscher mit einem
fantastischen Blick und dem immer waehrenden Knacken und Krachen.

Ein paar Tage geniesse ich den Luxus von der Stadt mit Asada
und Beef, dann treibt es mich weiter nach Sueden. Mittlerweile
sind die Temperaturen nahe dem Nullpunkt angekommen, der Wind
kommt jetzt zur Abwechslung von Links. Und blaest volles Rohr...
Mit einer kleinen Faehre ueberquere ich dann die Magellanstrasse,
ein toller Moment. Ich bin in Tierra del Fuego, Feuerland,
angekommen. Und auf den letzten 400 Kilometern in Richtung
Ushuaia aendert sich dann die Landschaft, es gibt wieder Baeume,
Waelder und Berge. Jetzt macht mir die Kaelte nichts mehr
aus, das Adrenalin kommt mir aus alles Ohren. Die Sonne begleitet
mich noch auf meinen letzten 50 km und ich denke an die Reise,
die Vorbereitungen, die Erlebnisse und die vielen tollen Personen,
die ich kennenlernen durfte. Ich fahre noch ueber einen Pass
und erreiche dann nach 37600 km und unendlichen Erlebnissen
endlich Ushuaia, gluecklich und stolz ueber das Erreichte,
aber auch traurig ueber das Ende einer sagenhaften Zeit und
Moeglichkeit.
Nach 2 Tagen des Feierns und Entspannens kommen jetzt die
ersten Gedanken ueber die Zukunft. Wie es jetzt weitergeht?
Mal sehen, erst mal nach Buenos Aires und weiter Spanisch
lernen, es ist ein spannender Kontinent, den ich weiter erkunden
werde. Wann? Keine Ahnung, aber hier koennte ich auch leben.
Hasta la proxima, Freunde,
Ich freue mich schon auf unser Wiedersehen.
Euer
Rasmus, jetzt am Ziel angekommen.
Von Ushuaia ueber die Pampa nach
Buenos Aires
[1. Mai 2005] Das Wetter wird unaufhaltsam schlechter, nicht
ungewoehnlich fuer diese Region im Herbst. Nachts gibt es
den ersten Frost, tagsueber Nieselregen und die Bergspitzen
sind alle weiss. Ich muss wieder in Richtung Norden, wenn
ich nicht in die schlimmen Herbststuerme kommen will. Und
so fahre ich nach 4 Tagen in Ushaia weiter, aber diesmal mit
dem unglaublichen Gefuehl des Siegens in mir.
In Rio Grande treffe ich auf Patrick aus Canada. Wir beide
beschliessen, einen anderen Weg nach Torres del Paine zu nehmen,
natuerlich durch das Hinterland von Tierra del Fuego.

Ich montiere noch Motorcrossreifen und mache eine grosse Inspektion
und los geht es auf Schotterpisten zur Grenze. Dort gibt es
keinen offiziellen Uebergang, aber wir bekommen unsere Stempel.
Warum hier kein Grenzverkehr ist? Weil der Fluss tief ist,
es keine Bruecke gibt und der Grenzer sowieso noch nie ein
Motorrad hier gesehen hat... Klasse, ist wieder wie in Bolivien.
Also mit Vollgas durch die Fluesse und wir sind in Chile.
Von dort geht es durch eine verlassene Landschaft am Ende
der Welt zur Magellanstrasse und dann mit der Faehre nach
Punta Arenas. Der Weg nach Torres del Paine ist geteert, aber
die starken Seitenwinde machen uns das Leben schwer. Manchmal
sind nicht mehr als 30 kmh drin, ansonsten werden KTM und
Fahrer abgeworfen...
Und dann kommen wir an den Park und die Berge, die Winde
lassen nach, die Landschaft wird abwechslungsreich mit Fluessen,
Seen und Baeumen. Und wir sehen die Torres, die Tuerme, die
wie Zacken in den Himmel ragen. Nur schade, das in den vergangenen
Jahren immer wieder Feuer die Natur des Parkes zerstoert haben.
Nach einer sternklaren Nacht am Lagerfeuer kommt am naechsten
Morgen starker Wind auf, fuer uns ein Zeichen zur Weiterfahrt.
Nur 2 Stunden spaeter schneit es, wir drehen am Hahn, ueberqueren
ein weiteres Mal die Grenze und fahren auf der geliebten Ruta
40 in Richtung Norden. Patrick will sich den Gletscher anschauen,
ich fahre weiter nach Chalten und dem Naturpark rund um das
Bergmassiv Mc Fitzroy.
30 Km vor Chalten zerbricht das hintere Radlager. Quietschend
rolle ich nach Chalten, baue die Lager aus und kann Neue bis
Karfreitag organisieren. Also tranquillo, noch das gute Wetter
ausnutzen und die Berge geniessen, toll.
Und dann geht es fuer mich weiter ueber die Ruta 40 und 39
in den Norden, fast 3 Tage fahre ich durch die Stein- und
Sandwuesten der Pampa, ohne Wasser, Baueme oder Gruen, Servicestationen
nur alle 300 km. Verlassene Finkas und ausgetrockene Seen
zeichnen die Landschaft und begleiten mich bis zum Atlantik.

Und ab da gibt es nur noch das gleiche Bild fuer weitere 2000
km, eine Pampa mit viel Nichts...
Buenos Aires ist eine pulsierende Stadt, voller Leben aber
auch voller Gegensaetze. Die Devaluierung des Pesos hat viele
Argentinier nahe an die Armut gebracht. Man sieht die Zeichen
ueberall, alte Autos fahren immer noch, die einst so schoenen
Haueser werden nicht renoviert, es fehlt an allen Ecken und
Enden.
Nur die Menschen zeigen es nicht, Sie feiern und tanzen, aber
leben mit dem Noetigsten.
Argentinien, vormals reich, heute nur noch stolz und ein Alptraum
fuer Vegetarier...
Welches Fazit soll ich ziehen?
Es faellt mir schwer, das in Worte zu fassen, zu intensiv
waren alle Erlebnisse.
Ich werde immer wieder gefragt, was mich am meissten beeindruckt
hat.
Die Einsamkeit der Wuesten, die Natur in den Waeldern und
Bergen, die Farbenvielfalt ueberall und vor allem die Freundlichkeit
der Menschen in den aermsten Teilen Suedamerikas. Sie haben
nicht viel und teilen noch das mit mir, dem Extranjero, dem
Fremden.
Immer wieder wird mir vor Augen gehalten, wie gut es uns
in Europa geht. Wir haben alles, und das auch noch im Ueberfluss...
Und fuer mich heisst es Abschied nehmen von meinen Begleitern,
den Lesern der Newsletter und einer fantastischen Reise.
Ich plane jetzt den Heimweg, die Zukunft und auch weitere
Reisen. Ja, die Faszination werde ich wiederholen, das steht
fest. Wo und wann, das lasse ich jetzt mal offen.
Und dann werden wir uns wiedersehen, wo auch immer...
Vielen Dank fuer Ihr Interesse an der Reise.
Ihr Rasmus Reuter
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